Bei den Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine wurde am Montag ein großer Austausch von über 6.000 gefallenen Soldaten und von schwerverwundeten und kranken Kriegsgefangenen vereinbart. Am heutigen Samstag hätte die erste Etappe des Austausches stattfinden sollen.
Die russische Seite ist zum vereinbarten Ort in der russischen Region Brjansk gekommen und hat über 1.200 Leichen in Kühltransportern mitgebracht, der Rest sei auf dem Weg. Außerdem sei der Ukraine eine erste Liste von 640 Kriegsgefangenen der Kategorien „Verwundete, Schwerkranke und Junge“ übergeben worden, um den Austausch zu beginnen. Mit „Junge“ sind Kriegsgefangene unter 25 Jahren gemeint, die ebenfalls ausgetauscht werden sollten.
Allerdings ist die ukrainische Seite nicht zu dem Austausch erschienen. Sie habe der russischen Seite stattdessen unerwartet mitgeteilt, dass „sowohl die Annahme von Leichen als auch den Austausch Kriegsgefangener auf unbestimmte Zeit verschoben“ worden sei, erklärte der russische Verhandlungsführer Medinski.
Nun stehen die Kühlwagen mit den tiefgekühlten Leichen in der russischen Region Brjansk und niemand weiß, wie es weitergehen soll.
Im Westen wurde darüber nur zurückhaltend berichtet. Im Spiegel erschien ein kurzer Artikel mit der Überschrift „Deal in Istanbul vereinbart – Moskau wirft Kyjiw Verzögerung von Gefangenenaustausch vor“, der sich für Spiegel-Leser, die alle Erklärungen aus Russland für Lügen und Propaganda halten, so liest, als sei das nur eine russische Finte. So heißt es in der Einleitung des Artikels beispielsweise:
„Bei Gesprächen in Istanbul haben Moskau und Kyjiw einen Gefangenenaustausch und die Rückgabe von 6000 toten Soldaten vereinbart. Russland wirft der Ukraine nun Verzögerung vor, die Kontaktgruppe warte vergeblich an der Grenze.“
Schon die Formulierung im Konjunktiv, „die Kontaktgruppe warte vergeblich an der Grenze“, klingt für Spiegel-Leser so, als sei das irgendein russischer Trick, während ukrainische Erklärungen im Spiegel immer wie Tatsachenberichte formuliert werden.
Lässt die Ukraine die Verhandlungen platzen?
Dass die Ukraine nicht einmal eine recht einfache Vereinbarung über den Austausch von Verletzten und Toten einhält, ist für die Verhandlungen kein gutes Zeichen und bestätigt der russischen Seite (und übrigens auch der nicht-westlichen Welt) ein weiteres Mal, dass Vereinbarungen mit der Ukraine keinen Wert haben, weil die Ukraine sich praktisch nie an Vereinbarungen mit Russland hält.
Da sich der russische Präsident Putin nach den ukrainischen Angriffen auf die russischen strategischen Bomber und die russischen Personenzüge am letzten Sonntag öffentlich gefragt hat, wie man mit solchen „Terroristen“ überhaupt verhandeln könne, stellt sich möglicherweise die generelle Frage, ob die Verhandlungen zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt zu etwas führen können, oder ob sie abgebrochen werden, bis die Ukraine bereit ist, ernsthaft zu verhandeln.
Dass die Ukraine den vereinbarten Austausch nun abgesagt hat, ist jedenfalls kein gutes Zeichen für den Verhandlungsprozess.