Im Pool der Kreml-Journalisten spielt Pavel Sarubin eine herausgehobene Rolle, denn er ist sehr nahe an Putin dran und kann dem russischen Präsidenten immer wieder exklusiv Fragen stellen, die er auf seinem Telegramkanal veröffentlicht. So war es nun wieder und Sarubin durfte in Putins Wagen mitfahren und den Präsidenten zum Thema Jahrestag der Befreiung von Auschwitz befragen. Ich habe die von Sarubin veröffentlichte Frage und Putins Antwort übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Frage: In diesem Auto, in Ihren anderen Autos, waren viele führende Politiker, viele Ihrer Kollegen. Und ich habe mich daran erinnert, dass Sie vor 20 Jahren gemeinsam mit Jacques Chirac in einem Auto zu den Veranstaltungen anlässlich des Jahrestages der Befreiung von Auschwitz gefahren sind. Damals wäre natürlich niemand auf die Idee gekommen, dass Russland 20 Jahre später nicht zu den Veranstaltungen eingeladen werden würde, die an diesen Tagen stattfinden. Heute sprechen viele darüber, dass dort eine sehr große, die größte deutsche Delegation war. Es waren Vertreter der Länder anwesend, die Hitler gedient haben. Selensky, der Nazis applaudiert und eine neonazistische Politik verfolgt, war dort. Was passiert überhaupt mit Europa? Sind sie vom Weg abgekommen, haben sie sich selbst, ihr historisches Gedächtnis verloren?
Putin: Mir scheint, dass es nicht richtig ist, die Situation und die Länder zu vergleichen, die, wie Sie sagten, Hitler gedient haben, oder wie Deutschland, das Hitlers Aufstieg zur Macht unterstützt hat, und dann den Beginn des Zweiten Weltkriegs. Aber das war damals. Die heutige deutsche Gesellschaft hat damit nichts zu tun. Ja, es gibt ein historisches Gedächtnis, wir müssen uns daran erinnern und wir dürfen es nicht vergessen, aber es ist sicherlich unfair, der heutigen Generation der Deutschen die Schuld für das, was in den 30er und 40er Jahren passiert ist, zu geben.
Aber das ist meine persönliche Meinung, man kann das anders sehen, ich bin sicher, dass andere es anders sehen. Ich habe in Deutschland gelebt, ich habe immer noch viele Freunde in Deutschland, ich weiß, wie sie über die Nazi-Vergangenheit denken. Übrigens fühlen sich die Deutschen selbst schuldig und so weiter, aber ich möchte noch einmal betonen, dass die heutige und die zukünftige Generation nicht für das, was dort passiert ist, benachteiligt werden sollte. Das ist das Erste.
Zweitens, was die europäischen Eliten betrifft, das ist ein besonderer Teil des Gesprächs, in Europa gab es so herausragende politische Weltpolitiker wie De Gaulle, dann weiter Mitterand, in neuer Zeit Chirac. In Deutschland Willy Brant, Kohl oder Schröder, den würde ich übrigens in die gleiche Reihe stellen.
Diese Leute hatten eine eigene Meinung und den Mut, für ihre eigene Meinung zu kämpfen, sie zu äußern und darüber zu reden und zu versuchen, sie wenigstens in der praktischen Arbeit umzusetzen. Heute gibt es solche Leute praktisch nicht mehr, manchmal sieht man sogar mit Erstaunen, was da vor sich geht, irgendwelche Leute, die keine Ausbildung haben und um Dinge kümmern, die eindeutig nicht ihre Sache sind, mit denen sie in ihrem Leben noch nie etwas zu tun hatten. Aus der Sicht der Interessen der Bürger der europäischen Länder des Westens aus gesehen, irgendwie ein, ich weiß nicht, politisches Unglück. Nun, Gott mit ihm.
Aber daher kommen übrigens alle möglichen Alternativen. Ja, und um diese Alternativen zu bekämpfen, versuchen sie dann, auf Verbote zurückzugreifen. Als ob sie nicht wüssten, dass man, wenn sie heute etwas verbieten, morgen eine andere Alternative mit einem anderen Namen auftauchen wird. Wenn es in der Gesellschaft die Forderung nach einer bestimmten politischen Idee gibt, kommt man daran nicht vorbei.
Was haben die uns seinerzeit beigebracht? Präsentiert ein überzeugenderes Programm. Bringt die Leute dazu, euch zu glauben, bietet eure Lösungen an. Und da denken sie jetzt darüber nach, was sie wo verbieten sollen.
Jetzt gibt es irgendeinen Streit zwischen den europäischen politischen Eliten und dem neu gewählten Präsidenten Trump. Hat sich denn seit Bidens Zeit etwas geändert? Es hat sich gar nichts geändert. Sie haben unter Biden gerne jeden Befehl aus Washington umgesetzt. Sie mögen Trump einfach nicht, sie haben ihn aktiv bekämpft, ja, sie haben sich wirklich in das politische Leben und den Wahlprozess in den USA eingemischt, und dann waren sie ratlos, als Trump plötzlich gewonnen hat.
Biden hat ihnen mental besser gefallen, mental. Er hat andere Vorstellungen davon, was gut und was schlecht ist, in der Genderpolitik zum Beispiel. Aber ich versichere Ihnen, Trump mit seinem Charakter, mit seiner Hartnäckigkeit, er wird da schnell für Ordnung sorgen, ganz schnell, und alle, Sie werden sehen, es wird schnell gehen, bald werden sie alle zu Füßen des Meisters stehen und brav mit dem Schwanz wedeln. Es wird sich alles einrenken.
Aber was die Einladung oder Nicht-Einladung zu Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Befreiung von Auschwitz angeht, das ist natürlich eine seltsame, beschämende Sache für diejenigen, die das getan haben.
Warum? Nun, man kann über die heutige Politik Russlands denken, was man will. Man kann über das russische Staatsoberhaupt, über mich, denken, was man will. Niemand bettelt um eine Einladung. Aber wenn man darüber nachdenkt, hätten die wesentlich subtiler handeln können. Wenn man die Befreier von Auschwitz schon aus gesundheitlichen und Altersgründen nicht mehr einladen konnte, dann hätten die doch wenigstens deren Verwandten einladen können, jemanden, der mit denen verwandt ist.
Aber Leute einzuladen, die Bandera zu ihrem Nationalhelden erkoren haben, der schuldig ist am Holocaust, schuldig an der Vernichtung von 100.000 Juden, Russen, Polen – die Polen wissen übrigens, wer Bandera ist und erinnern ihre politische Führung daran. Die heutige Führung der Ukraine hat Bandera zu einem Nationalhelden erhoben, er ist ein Symbol des ukrainischen Staates. Und deren Führung applaudiert auch noch ehemaligen SS-Soldaten, den Verursachern des Holocausts, die persönlich mit ihren eigenen Händen Juden vernichtet haben. Das ist natürlich sehr seltsam, aber das sind die Realitäten von heute in dem Europa, über das wir gerade gesprochen haben.